Mathias Otto
Außentreppe, 2006, Öl auf Holz, 150 x 120 cm
Baustelle, 2010, Öl auf Holz, 65 x 88 cm
Treppe mit Bushaltestelle, 2009, Öl auf Holz, 110
Waldweg mit Bank, 2010, Öl auf Holz, 65 x 74 cm
Waldweg, 2010, Öl auf Holz, 110 x 156 cm
Mathias Otto
Wenn man sagt, der Künstler Mathias Otto beschäftigt sich mit dem Licht und seiner Wirkung, dann ist damit der Kern der Bilder getroffen. Doch verwundert dies zunächst, denn bei den Arbeiten handelt es sich allesamt um Nachtbilder. Genauer interessiert den Künstler das Licht der Nacht und seine verschiedenen Erscheinungsformen, wie es sich in der Dunkelheit verteilt und schließlich verschwindet. Mathias Otto präsentiert menschenleere Orte voller Stille. Nichts stört die Ruhe der verlassenen Wege und einsamen Baumgruppen. Es sind banale Gegenden, die der Künstler für seine Bilder gewählt hat: eine Bushaltestelle, ein Waldpfad, ein Treppenaufgang. Bei Tag wohl viel belebte Plätze, bei Nacht karg und einsam. Die Nächte der scheinbar von Menschhand unberührten Natur sind tiefschwarz, nur der Mond beleuchtet die Welt. Im urbanen Raum ist jedoch eine Vielzahl von künstlichen Lichtquellen zu fi nden, mit denen der Mensch versucht, seine Umwelt zu erhellen. Wie eindrucksvoll das aussehen kann, das führt Mathias Otto in seinen Bildern dem Betrachter vor Augen.
Hier scheint das Licht einer Straßenlaterne durch das Laub eines Baumes, was einzelne Blätter hell aufblitzen lässt, dort entwickelt entferntes Flutlicht eine übersinnlich wirkende Aura im schwarzen Himmel. Mal bildet die Lichtquelle einen Fluchtpunkt für das Auge, das sich seinen Weg durch das dunkle Dickicht bahnt, dann werden bedrohliche Schatten auf einen verlassenen Pfad geworfen. Bei Tag hat jedes Ding seine Farbe, mit dem Nahen der Dämmerung ist diese immer weniger zu erkennen. Denn Licht ist Farbe und fehlendes Licht bringt Schwärze. Die Bilder von Mathias Otto sind Nachtstücke, reines Schwarz kommt in ihnen jedoch nur selten vor. Bei genauem Hinsehen verbirgt sich in jedem Objekt noch seine Farbe, der Lichtschein einer Laterne reicht aus, um auch in den entferntesten Winkeln noch das Kolorit spürbar zu machen. Der Betrachter fühlt, dass verschiedene Nuancen in den Details stecken, doch benennbar sind sie oft nicht. Erst im Zusammenspiel von mehreren Abstufungen von Schwarz bildet sich durch den Kontrast die Farbwirkung heraus und man entdeckt: Es gibt warmes und kalten Schwarz, gelb-, blau- und grünstichiges Schwarz! In den Bildern von Mathias Otto ist auch in den dunkelsten Stellen noch etwas zu sehen und vor allem zu erkennen.
Oben wurde der Begriff „bedrohlich“ genannt und dies scheint das Stichwort bei der Wirkung vieler Bilder zu sein. Die Straßen, Gehwege und Plätze sind menschenleer und doch hat man das Gefühl, im Dunkel der säumenden Büsche verbirgt sich etwas, das gleich hervorspringen wird. Geprägt wird dieses Bild durch die Schauergeschichten und Ermahnungen, die schon die Eltern in der Kindheit mit auf den Weg gaben oder durch Kriminalberichte in der Presse. Die Phantasie des Betrachters formt eine Geschichte zu diesen Bildern, in denen nichts passiert und vieles möglich scheint. Das Bedrohliche und Unheimliche geht aus dem Fehlen von Akteuren hervor, aus deren potentiellen Handlungen, alles bleibt offen. Einige Bilder führen die Abwesenheit der Menschen besonders deutlich vor, wenn etwa Fußspuren im Schnee darauf hinweisen, dass dort vor kurzem noch jemand gegangen ist, oder verlassene Autos und verwaiste Sitzbänke leer bleiben. Der Mensch hat all die Laternen, Scheinwerfer und Gehwegbeleuchtungen für sich selbst geschaffen, um seine Straßen und Gassen auch in der Nacht passierbar zu machen. Daher rufen die leeren Waldpfade und Treppenaufgänge geradezu nach jemandem, locken mit ihrem Lichtschein, schrecken jedoch mitm ihren Schatten. Denn das menschliche Auge ist für das Sehen in der Dunkelheit nicht gemacht, man versucht etwas zu erkennen in dem Gestrüpp am Wegesrand, hinter der nächsten Mauer, in den sich auflösenden Konturen, doch scheitert dabei. Beklemmende Gefühle beschleichen bei einem nächtlichen Spaziergang, eine unheimliche Stimmung breitet sich aus. Die Erinnerung an solche Erlebnisse aus der eigenen Vergangenheit kommt beim Betrachten dieser Bilder auf. Oder ist der Betrachter hier selbst jene Nachtgestalt, die seinem Opfer im Schutz der Dunkelheit auflauert? Diese Assoziationen laden die Bilder von Mathias Otto in hohem Maße mit Spannung auf.
Andere Bilder sind weniger angsteinflößend. Sie wirken viel mehr mystisch und geheimnisvoll. Dies sind diejenigen Arbeiten, die besonders attraktive Lichteffekte und weniger dunkle Ecken und uneinsehbares Gebüsch wiedergeben. Scheinbar Bekanntes wird wortwörtlich in neuem Licht vorgeführt, Vertrautes wird fremd, geradezu erhaben. Was in der Hektik des Tages in der Reizüberflutung untergeht, wird nun durch spärliches Licht in Szene gesetzt und akzentuiert. Erstaunlich, dass es die Nacht braucht, um banale Orte, die in der Alltäglichkeit unbeachtet bleiben, in der Dunkelheit durch schwaches Licht zu wahrer Schönheit erblühen zu lassen. Das geheimnisvolle Dasein erwacht durch das magische Potenzial der Dunkelheit in der Einsamkeit der Nacht, der Zeit, die in der hektischen Welt nur noch als Zwischenphase zwischen zwei Arbeitstagen gesehen wird. An dieser Verwandlung der zur Ruhe gekommenen Welt lässt der Künstler Mathias Otto teilhaben.
Mathias Otto wurde 1958 in Nürnberg geboren. 1986 machte er seinen Abschluss in Kommunikations-Design an der FH Nürnberg. Im Jahre 1988 war er Gaststudent an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg bei Prof. Scharl. Seither ist er als freischaffender Künstler und Grafi ker tätig. Den Anerkennungspreis des Nürnberger-Nachrichten-Kunstpreises erhielt er in den Jahren 2001/02, den Ausstellungspreis Kunstmuseum Hollfeld und den 3. Preis Kunstraum Weißenohe im Jahre 2005 und den 2. Nürnberger Nachrichten-Kunstpreis im Jahre 2009. Mathias Otto ist auf zahlreichen Einzelund Gruppenausstellungen vertreten, so im Kunstmuseum Erlangen, im Fine Art Institute Shenzhen, China, in der Orangerie du Tabor in Rennes, Frankreich, im Museum für zeitgenössische Kunst Skopje, Mazedonien und im Musée des Beaux-Arts in Nizza, Frankreich.