Mathias Weis
Ohne Titel, 2010, Öl auf Leinwand, 60 x 70 cm
Ohne Titel, 2010, Öl auf Leinwand, 50 x 55 cm
Ohne Titel, 2010, Öl auf Leinwand, 50 x 55 cm
4 x Ohne Titel, Nov. 2009, Öl, Pappe, Keilrahmen,
Mathias Weis
Die Bilder von Mathias Weis stehen unter dem Titel „Ganz normale Tage“ und zeigen Raumausschnitte eines Altbaus, genauer seines Ateliers und der angrenzenden Räume. Die vorgefundenen Dinge geben die alltägliche Situation des künstlerischen Umfeldes wieder und sind dabei unaufdringlich und scheinbar banal. Der Künstler malt seine Bilder meist in einem Zug. So lässt sich jedes Bild dem Zustand seiner Umgebung an genau einem Tag zuordnen. Aus ihrem Kontext heraus gelöste Einzelheiten gewinnen dabei ein Eigenleben, was die Gegenstände eine Geschichte erzählen lässt und die Stimmung der Bilder ausmacht. Die Darstellung erweckt zuweilen einen geheimnisvollen Eindruck, wenn sich schwarze Tücher wie Vorhänge durch den Raum spannen und offenbar Dinge verhüllt werden. Hier wird dem Blick des Betrachters etwas entzogen, was diese Bilder in hohem Maße mit Spannung aufl ädt. Die schwarzen Tücher fangen den Betrachterblick wie eine Barriere ab, halten ihn auf. Im Gegensatz dazu bieten die Bilder mit geöffneten Türen einen weiten Blick in den Bildraum. Diese Arbeiten entwickeln eine starke Tiefenwirkung. Ein spezieller Reiz liegt auch in den unterschiedlichen Lichtverhältnissen der verschiedenen Bildgründe. Entweder ist der vordere Raum hell und der zurück liegende Raum liegt im Dunklen, viel öfter aber scheint das Licht durch die geöffnete Tür von hinten herein. Verschiedene Stimmungen werden dadurch erzeugt: Der Blick ins Dunkel trägt zur Mystifizierung bei. Hier führt der Türdurchgang in Unbekanntes und Unsichtbares, Ängste werden beim Betrachter angesprochen. Ganz anders bei den Bildern, deren hell erleuchtete hintere Räumlichkeiten den Blick einladend in die Tiefe ziehen. Hier ist es vielmehr die Neugier des Betrachters, die geweckt wird. Man möchte gerne um die nächste Ecke schauen.
Im Werk von Mathias Weis schließen sich häufi g einzelne Bilder durch ihre Motive zu Gruppen zusammen; er arbeitet mit Versatzstücken, die in mehreren Bildern immer wieder auftauchen. Bedingt durch die verschiedenen Blickwinkel und die Fragmentierung des Gegenstandes muss der Betrachter seine Gestalt aus unterschiedlichen Bildern zusammensetzen. Die Auslotung durch immer neue Blickwinkel zeugt von der Suche des Künstlers nach dem, was nicht sofort sichtbar und überschaubar ist, aber auch davon, was ihn malerisch fesselt. Dies scheint die Stofflichkeit bestimmter Gegenstände zu sein, der Fall des Tuches, die glatten Oberflächen von Keramik oder die Durchsichtigkeit von Glas. Durch die Wiederholung ist der Künstler vom Zwang befreit, gleich in einer ersten Darstellung den Kern einer Sache treffen zu müssen und der Eindruck eines Details kann unmittelbarer eingefangen werden. Vor allem bringt diese eingehende Beschäftigung mit den Dingen seines Alltags zum Ausdruck, wie intensiv sich der Künstler mit seinem Motiv auseinandersetzt. Die Betrachtung von mehreren Bildern nebeneinander, die denselben Gegenstand darstellen, erlaubt darüber hinaus die zeitgleiche Sicht auf mehr als eine Seite. Der Eindruck, der in der Realität nur durch Umschreiten, also durch körperliche Bewegung, erreicht werden kann, wird hier durch die Bewegung der Augen von einem Bild zum nächsten vermittelt. Die wiederkehrende Darstellung eines Objektes in veränderter Pose ähnelt den Prinzipien der Porträtmalerei und lässt einen einfachen Gegenstand Teil einer Bildergeschichte werden. Denn etwas fehlt auf den Gemälden von Mathias Weis: Menschen.
Einzig die dargestellten Objekte zeugen von deren Anwesenheit. Ein Paar Schuhe, eine geöffnete Tür, ein leerer Sessel oder eine Jacke am Haken weisen auf eine abwesende Figur. Doch nun werden die Möbel, Gefäße und Kleidungsstücke selbst zu den Protagonisten der Bilder. Die verschiedenen Konstellationen des immer gleichen Objektes vermitteln, dass es auch auf das Zusammenspiel mit dem ankommt, was es umgibt: Raum, Licht und anderes Inventar. In ihrer Anordnung fällt noch etwas auf: Viele der Gegenstände wirken inszeniert. Nicht nur das schwarze Tuch, das zuweilen wie ein Theatervorhang den Schauplatz verhängt, sondern auch parallel ausgerichtete Objekte auf einem Tisch oder kurios platzierte Gegenstände wie etwa eine brennende Kerze auf dem Boden. Diese Gemälde lassen den Eingriff des Künstlers besonders durchscheinen und verraten ein fein komponiertes Arrangement. Situationen mit fast leeren Raumwinkeln, auf Regalbrettern gefaltete und gestapelte oder unachtsam hingeworfene Wäsche wiederum scheinen unbeabsichtigt und zufällig vorgefunden. Die Objekte in diesen Bildern wirken weniger wie absichtlich drapierte Requisiten, sondern beiläufig und alltäglich. Gemein ist allen Bildern jedoch, dass sie den Gegenstand authentisch wiedergeben. Der Charakter jedes Objektes ist gewissermaßen eingefangen. In ihrer Gesamtheit vermitteln die Gemälde von Mathias Weis die Besonderheiten eines Raumes und die Spuren von menschlichem Leben. Damit offenbaren diese Bilder ihre Beziehung zum Künstler nicht nur durch die individuelle künstlerische Handschrift, die durch den Duktus sichtbar wird, sondern gleichsam erzählen sie mittels ihres Sujets etwas über den Künstler und sein alltägliches Umfeld.
Mathias Weis wurde 1955 in Zweibrücken in der Pfalz geboren. Er studierte zwischen 1975 und 1981 Freie Kunst (Malerei) bei Prof. Manfred Bluth an der Gh Kassel. Seit 1996 übernimmt er verschiedene Lehraufträge bei Pentiment HAW Hamburg und der Uni Kassel. Seit 1980 geht Mathias Weis einer regen Ausstellungstätigkeit nach. Stationen sind u. a. die Galerie Sander Kassel, die Multiple Box Hamburg und die Staatlichen Museen Kassel, die Ladengalerie in Berlin, der Kunstverein Kassel, die Galerie Rose in Hamburg, die Galerie Melchior Kassel, die Galerie Bergner und Job in Mainz, das Künstlerhaus Göttingen, der Neue Kunstverein Aschaffenburg, das Museum für das Fürstentum Lüneburg und die Galerie Epikur Wuppertal.