Nadine Wölk
lights IV, 2009, Mischt. auf Leinwand, 150 x100 cm
trip I, 2010,, Mischtechnik auf LW, 58 x 70 cm
fl ickering light, Mischt. auf LW, 100 x 150 cm
berlin III, 2009, Mischtechnik auf LW, 50 x 65 cm
julius III, 2010, Mischtechnik auf LW, 20 x 30 cm
Nadine Wölk
Die Nacht, das ist die Zeit zwischen Sonnenauf- und Sonnenuntergang, die Zeit der Dunkelheit, des Schlafes, der Träume, der Stille. Aufgrund des fehlenden Lichts nimmt man weniger wahr, bleibt vieles im Verborgenen der schwarzen Finsternis. So sucht das Auge nach den wenigen, schwachen Lichtquellen, die versuchen, die Düsternis aufzuheben: dem Mond, den Sternen, Straßenlaternen, Scheinwerfern, Leuchtreklamen. In der Epoche der Romantik war die Nacht ein wichtiges Thema, allerdings geprägt von Gespenstern, dem Irrationalen, Wahnsinn und Tod. Die Sehnsucht nachdem intensiven Erleben dieser Zeit, das Gegenstück zum geschäftigen Tag, zu der das Gewohnte des Tages fehlt und das Unbekannte beängstigende Wirkung auslöst, führte zu dem Wunsch nach einer höheren Ebene der Wahrnehmung des Seins. Im Volksglauben ist die Nacht mit Geistern, Dämonen, Hexen, dem Teufel und Tod behaftet und ist somit angstauslösend und gefahrvoll. Mit künstlicher Beleuchtung will der Mensch seit jeher die Nacht zum Tage machen. Der Einbruch der Dunkelheit ist nicht länger die Schlafenszeit, sondern die Aktivität kann in die Nacht ausgeweitet werden. Es ist eine andere Wirklichkeit als bei Tag, die Zeit der Nachschwärmer und Nachtgestalten, der dunklen, unheimlichen Delinquenten, des Rotlichtmilieus, aber auch der Partykultur und des nächtlichen Treibens der jungen Generation. Letzteres ist das Motiv der Künstlerin Nadine Wölk. Tiefschwarze Hintergründe kennzeichnen ihre Bilder. Im Zentrum der Aufmerksamkeit befi ndet sich eine hell beleuchtete Figur, selten zwei oder mehr. Das Licht wird zum Gestalt gebenden Mittel. Diese Figuren halten sich in einem undefi nierten Farbraum auf, von dem sie sich deutlich wie ausgeschnitten abheben. Die Stimmung ist locker, man hält ein Bier, lässig in bequemer Freizeitkleidung, viele lachen aus dem Bild heraus, einige verbergen ihr Gesicht und haben sich abgewendet. Der Umraum erhält manchmal durch entfernte Glanzlichter bunte Punkte, alles Weitere bleibt unbestimmt. Diese Bilder leben von den Kontrasten: hell gegen dunkel, klar erkennbar gegen unbestimmt. Mit der Kamera streift die Künstlerin umher, macht Schnappschüsse von dem, was ihr vor die Linse gerät. Das Blitzlicht erhellt die Protagonisten im Vordergrund, taucht sie geradezu in gleißendes Licht. Es sind in erster Linie Freunde und Familie beim nächtlichen Treffen, Feiern, Abhängen. Der situative, ungestellte Eindruck zeigt Posen des Nachtlebens voller Authentizität und gibt in diesen intimen Werken, deren Protagonisten zuweilen verloren oder gar einsam wirken, ein Bild von der modernen Gesellschaft und deren Entfremdung. Und doch wird deutlich, dass die Figuren in den Werken der Künstlerin nicht alleine sind. Mit ihren Gesten und Blicken nehmen sie Kontakt zu anderen auf, seien diese außerhalb des Bildraumes oder gar der Betrachter selbst. Nadine Wölk lotet in ihrer Malerei die Grenzen der Fotografi e aus. Ist das Foto in der weitgehend realistischen Wiedergabe und Farbpalette als Grundlage erkennbar, wird die Malerei als Medium in Form von dicken Farbschichten, die verlaufen und zu Farbnasen erstarren, unverleugnet zum Thema. Abstrahierte Hintergründe treffen auf detaillierte Figuren, die traditionelle Bildgattung Porträt erfährt eine völlig neue Interpretation. Es kommt zu einer Verschmelzung von dokumentarischer Darstellung, malerischer Ausdrucksform und Abbild eines Erlebnisses, welches außerhalb des Fotos verortet ist und in der Malerei Intensivierung erfährt. Diese Bilder wirken dem Betrachter vertraut, weil die Dargestellten der Künstlerin vertraut sind und sich ihr zuwenden. Die diffusen Hintergründe lassen viel Spielraum für Interpretationen, die Phantasie des Betrachters mischt sich mit eigenen Erinnerungen aus der Vergangenheit. Diese sind ebenso flüchtig wie der Moment, in dem das Foto einst entstand, was eine melancholische Stimmung hinterlässt; Farbräume werden zu Erinnerungsräumen, das Einfühlen in die Situation belebt persönliche Erlebnisse. Das ist es, was zählt. Nicht das dokumentarische Abbild, sondern die Erinnerung an den einen Augenblick. Die Künstlerin hat diesen unwiederbringlichen Zeitpunkt in ihren Arbeiten konserviert und gibt damit gleichzeitig ein Bild von der Jugendkultur im öffentlichen Raum der Gegenwart überhaupt. Wie die Nacht eine Zwischenzeit ist, zu welcher der Ernst des Lebens am geschäftigen Tag in weiter Ferne scheint, so ist es auch die Zeit der Jugend; alles ist möglich, einzig die Freude am Hier und Jetzt zählt.
Die Protagonisten in den Bildern von Nadine Wölk genießen das Leben. Diese bettet sie in die vordergründigste Eigenschaft der Nacht: die Dunkelheit. Und doch ist in ihren Bildern immer Licht, und zwar so viel, dass es die Figuren geradezu überstrahlt. Das Licht verleiht Farbe in der Schwärze und blendet gleichzeitig Farbe im Gleißen aus, es ermöglicht das Sichtbarmachen von Form und lässt feine Konturen im Strahlen untergehen. Die Künstlerin hat auf das Wesentliche reduziert, um zu malerischer Schärfe zu gelangen. In ihren Werken erhalten die individuellen Gesichter Allgemeingültigkeit, jede Figur wird zum Typus ihrer Generation, es ist eine Refl exion über die zeitgenössische Jugend schlechthin.
Nadine Wölk wurde 1979 in Jena geboren. Als staatlich geprüfte Kommunikationsgraphikerin folgte in den Jahren 2001 bis 2006 ein Studium der Malerei und Graphik in Dresden, ihr Diplom in Malerei erhielt sie 2006. Zwischen 2006 und 2008 war sie Meisterschülerin bei Prof. Martin Honert. Nadine Wölk lebt und arbeitet in Dresden und präsentiert ihre Arbeiten seit 2000 bei zahlreichen Ausstellungen. Stationen waren u. a. in München, Dresden, Zürich, Hamburg, Berlin und Salzburg. Nadine Wölk ist Mitbegründerin des Projektes FREIRAUM 05, Raum für junge Kunst in Dresden.