Oliver Czarnetta
Haus im Haus im Haus 4, 2010, Beton, 45 x 39 x 70
Haus im Haus im Haus 1, 2010, Beton, 40 x 30 x 40
Haus im Haus im Haus 2, 2010, Beton, 40 x 30 x 40
Haus im Haus im Haus 3, 2010, Beton, 53 x 55 x 50
Oliver Czarnetta
Beton ist ein modernes Material. Es bietet vielerlei Gestaltungsmöglichkeiten, mit ihm können kreative Ideen ganz anders als zum Beispiel mit Stein verwirklicht werden. Dieser Raum bildende Charakter zeigt sich deutlich in den verschachtelten Formen von Oliver Czarnetta. Beton ist aber auch ein ungewohntes Material für Kunst. So lassen die typischen Oberfl ächenstrukturen von Beton, der sich einerseits glatt schleifen lässt, andererseits mit seiner unebenen, groben Beschaffenheit optische Reize setzt, ihn zu einem fl exiblen Gestaltungsmittel werden. Der Werkstoff Beton steht aber auch für Haltbarkeit, Schwere und Festigkeit. Es ist ein künstliches Gestein, aus dem Oliver Czarnetta spannungsreiche Kunst schafft.
Oliver Czarnetta präsentiert die Werkgruppe der Betonhäuser. Wie Festungen stehen diese kleinen Häuschen im Raum. Die Arbeiten erwecken sowohl den Eindruck eines noch unfertigen Rohbaus, als auch den Anschein einer baufälligen Ruine. Denn von Neubauten ist dieser Werkstoff bekannt, aufgebrochene Dächer und leere Fenster- und Türöffnungen wecken eher Assoziationen mit Zerstörung und Zerfall. Hier treffen also ein modernes Material und ein scheinbares Zeugnis vergangener Zeiten aufeinander. Die Plastiken verbinden dabei in einzigartiger Weise die sinnlichen Erfahrungen des Sehens, Fühlens und körperlichen Erfahrens. Im Unterschied zu einem Gemälde, können diese Arbeiten in ihrer Dreidimensionalität körperlich erkundet werden. Der Künstler spielt mit Gegensätzen, die seine Werke reizvoll aufladen. Glatt oder rau lassen sich verschiedene Partien der Plastiken kontrastreich erfühlen. Diese Arbeiten können und müssen in der Bewegung erlebt werden, denn eine definierte Ansichtsseite gibt es nicht. Indem der Betrachter sich den Stücken nähert, um sie herum schreitet oder auch bückt um neue Perspektiven zu gewinnen, erhält er ständig neue Ansichten und auch Durchsichten. Zuweilen entwickelt er dabei die Neugier eines Voyeurs, der in anderer Leute Fenster blickt um zu sehen, was drinnen vor sich geht. Doch aus unmittelbarer Nähe fällt auf, dass es sich hierbei nicht um bloße Miniaturen handelt, denn wichtiger als die äußere Oberfl äche ist das Innere. In einem Überraschungsmoment erkennt der Betrachter, dass sich mehr darin verbirgt als zunächst vermutet. Diese Häuschen sind nicht etwa leer, es befinden sich geschachtelte Formen im Inneren, die wiederum für sich Häuser bilden. So entsteht der Charakter einer Matrjoschka, jener russischen ineinander schachtelbaren Puppen. Die Titel klären auf, wie viele dieser Häuser ineinander gestellt sind und bezeichnen ganz schlicht den Gegenstand: Haus im Haus im Haus. Gleichzeitig sind diese Arbeiten somit Raum schaffend, als auch Raum verstellend. Der schichtweise Aufbau, der sich im Aufstellungsgebäude fortsetzt, die eingelegten Formen, machen den besonderen Reiz dieser Arbeiten aus. Der Betrachter versucht zum Kern vorzudringen und je nach Position stellen sich seinem Blick neue Häuserwände in den Weg oder tun sich weitere Gänge und Öffnungen auf. Der Lichteinfall von außen ist für das Licht- und Schattenspiel verantwortlich, das effektvolle Reize auf das triste Grau des Betons setzt. Je tiefer man in diese Häuser hinein blickt, desto mehr Dunkelheit sorgt für eine fast beklemmende Atmosphäre. Was im Verborgenen liegt, bleibt unergründlich. Und gleichzeitig weckt dies die Neugier des Betrachters. In gebückter Haltung versucht er, das Innere zu erkunden, die labyrinthartigen Gänge, die durch die Verschachtelung entstanden sind. Wie schützende Hüllen legt sich ein Haus über das nächste, der Betrachter ist eingeladen, heranzutreten und sich die Volumina aus der Nähe zu erschließen. Jede Plastik besticht durch eine klare Formensprache. Diese Reduzierung in der Ausarbeitung, das Weglassen von allem Überfl üssigen, bedeutet die Konzentration auf das Wesentliche. Die äußere Form bildet in jeder Ansicht einen geschlossenen Umriss, die Konstruktion grenzt sich mit ihrer stillen Starre und Statik damit im Umriss vom Umraum ab, lässt ihn jedoch durch die Fenster- und Türöffnungen ein. Das mächtige Material Beton strahlt eine fast schon meditative Ruhe aus, die aus den Reihungen entsteht, in denen sich der Blick verliert, aber auch aus der dauerhaften, Sicherheit gebenden Beständigkeit der Materialität. Masse und Schwere kontrastieren hier mit dem immateriellen Umraum, der in den Verschachtelungen teil der Plastik wird. Dies verleiht den Arbeiten eine gewisse Leichtigkeit, der Massivität wurde etwas entgegen gesetzt. Die Werkgruppe der Betonhäuser besticht somit zum einen durch ihre kompakte Form und die Schwere des Materials, zum anderen durch die Transparenz. Was zunächst so gegensätzlich scheint, erschließt sich ganz sinnfällig. Die zahlreichen Durchbrüche, die für Fenster- und Türöffnungen stehen, brechen die blockhaften Plastiken auf und lassen sie geradezu luftig erscheinen. Damit leben diese Häuser von den Gegensätzen, die sie für den Betrachter so interessant machen.
Oliver Czarnetta wurde 1966 in Birkesdorf, Düren, geboren. Im Jahre 1992 legte er seine Steinbildhauer- Gesellenprüfung ab. Seitdem ist er freischaffend tätig. Er studierte zwischen 1993 und 2004 Kunstgeschichte und Philosophie, anschließend folgte die Promotion. Von 2007 bis 2009 war er künstlerischer Mitarbeiter des Instituts für Kunstwissenschaft an der Universität Koblenz. Oliver Czarnetta arbeitete im Jahre 2004 an der den Aachener Dom repräsentierenden Skulptur für die Unesco-Ausstellung in New York 2005 und stellte sein Werk bereits auf einer Vielzahl an Ausstellungen und Messen im In- und Ausland aus, darunter in der Gallery of Fine Art in Luxemburg, der International Sculptors Exhibition im National Museum of Contemporary Art in Seoul, Korea, im Schloss Neersen, im Kunstverein Eschweiler und auf der Art Volta in Basel.