Oliver Czarnetta

Nicola Hanke

Simone Haack

Akrobaten, 2010, Öl auf Nessel, 200 x 150 cm

Ohne Titel, 2009, Öl auf Nessel, 190 x 140 cm

Ohne Titel, 2008, Öl auf Nessel, 190 x 140 cm


Simone Haack

Die Bilder von Simone Haack wirken schon auf den ersten Blick sehr direkt und eindringlich. Im Mittelpunkt steht der Mensch, zumeist die weibliche Gestalt. Die Figuren sind oft nackt, haben ihre Augen geschlossen oder starren aus dem Bild heraus, bisweilen am Betrachter vorbei. Was in der außerbildlichen Realität ihre Aufmerksamkeit erregt hat, bleibt verborgen. Die nackte Frauenfigur im Gras wähnt sich wohl schlafend unbeobachtet, wehrlos ist sie dem Betrachterblick ausgeliefert. Sie liegt auf einer Wiese, das satte Grün der Halme bildet einen effektvollen Kontrast zu ihrer hellen Haut. Ihr Körper ist zusammengerollt, der Kopf zum Betrachter verrenkt. Ungewöhnliche Posen waren schon für frühere Arbeiten der Künstlerin typisch, zumeist handelte es sich dabei um gehockte Leiber oder – wie hier – der Embryonalhaltung ähnliche Stellungen. Der Hintergrund dieses Gemäldes ist stark verschwommen und somit wird alle Aufmerksamkeit auf den Vordergrund gelenkt. Die Perspektive in diesem Bild heftet den Blick des Betrachters unmittelbar an das Gesicht der Protagonistin. Denn man ist scheinbar mit der liegenden Frauenfi gur zusammen im Gras und dicht vor ihr.
Als Schauender dringt man ein in diese intime Privatheit, einem Voyeur gleich wird sie unbemerkt beobachtet. Was macht sie im Gras, wie kommt sie dorthin und warum ist sie nackt? Schläft sie oder weiß sie, dass sie angeschaut wird? Ebenso geheimnisvoll sind die zwei Akrobaten. Ihre Körper sind auf eigentümliche Weise aufeinander gestellt, beide zusammen ergeben eine kompakte Form. Sie nehmen im Gegensatz zu der Frau jedoch Augenkontakt auf. Ihr Blick ist geradezu stechend. Der Sinn und Zweck der Handlungen in den Bildern von Simone Haack erschließt sich nie auf den ersten Blick. Zunächst scheint alles klar, doch wird Bekanntes in einen irritierenden Kontext gesetzt. Diese Rätselhaftigkeit entfremdet die Motive, das Unvorhersehbare liegt in den Gemälden. Die Figuren befinden sich an geheimnisvollen Orten, manchmal in diffus beleuchteten, unbestimmten und fast leeren Bildräumen. Diese Orte scheinen ebenso verlassen wie die Protagonisten selbst und regen die Phantasie des Betrachters an, das Dargestellte zu deuten. Fehlende Titel erhalten eine Offenheit in der Interpretation und rufen Ambivalenzen hervor, welche die Bilder mit Spannung aufladen. Simone Haack bedient sich fotografisch inszenierter Vorlagen, von denen sie sich im Malprozess entfernt. So realistisch die Motive auf den ersten Blick erscheinen, so fremd wirken die Szenerien auf den zweiten. Die Haut dieser bewegungslosen Figuren schillert in verschiedenen Farben, die sich von weitem im Betrachterblick mischen. Manchmal fast transparent bläulich durchscheinende, nackte Haut weckt den Eindruck der Verletzlichkeit. Die Figuren wirken mitunter verloren im Raum, meist sind sie allein wie die Frau im Gras. Ein kühles Kolorit bestimmt die Bilder, was diesen Eindruck verstärkt. Manche scheinen sich selbst durch ihre Haltungen zu schützen, indem sie die Arme und Beine dicht heranziehen. Doch wovor? Vor dem Blick des Betrachters? Die Haut markiert die Grenze zwischen Innen und Außen. Die Künstlerin stellt sie durchlässig dar, um die innere Gefühlswelt der Figuren sichtbar zu machen. Damit wird sie zu dem verbindenden Element von Körper und Seele und zum Träger emotionaler Empfi ndungen. Nicht die sichtbare Realität ist wiedergegeben, sondern in der scheinbar realistischen Darstellung wird etwas Verborgenes sichtbar gemacht; das Äußere verweist auf das Innere. Damit ist die Darstellung so viel mehr als bloße Wiedergabe von Realem. Diese Art der Malerei erfordert ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen in die dargestellten Figuren seitens der Künstlerin. Die visualisierte Innenwelt kann vom Betrachter wiederum nachempfunden werden. Die starrenden Blicke transportieren die geballte Energie aus dem Bild heraus und heften sie an den Schauenden. Der Gedanke an das Ausgeliefertsein der eigenen Existenz, die eigene Unsicherheit und Verletzlichkeit, wird unmittelbar hervorgerufen. Man ist es nicht gewohnt, mit festem Blick fi xiert zu werden und möchte den Blick abwenden, doch kann es nicht. Es handelt sich bei all den Figuren nicht um Porträts, diese Bilder gehen über die reine Abbildhaftigkeit hinaus. Die Darstellung löst sich vom Individuellen und verweist auf verallgemeinerte, menschliche Gefühlslagen. Bei den Bildern von Simone Haack geht es generell nie um das, was abgebildet ist. Irreale Inhalte brechen mit realistischen Darstellungsweisen, die Szenen jedoch sind fernab der Alltäglichkeit. Scheint die Frau im Gras zu schlafen, wirken andere Figuren selbst wie Traumbilder. Wie Erscheinungen stehen sie in unwirklichen Orten und der Umraum durchdringt sie und nimmt sie für sich ein. Etwas Geheimnisvolles umgibt diese Bilder und es bleibt offen, welcher Realitätsebene sie entspringen.

Simone Haack wurde 1978 in Rotenburg an der Wümme geboren. Sie studierte zwischen 1997 und 2003 Freie Kunst an der Hochschule für Künste Bremen bei Prof. Karin Kneffel und Prof. Katharina Grosse und an der Unitec School of Art and Design in Auckland, Neuseeland. 2003/04 war sie Meisterschülerin bei Prof. Karin Kneffel. Simone Haack erhielt bereits viele Preise und Stipendien, so 2004/05 ein DAAD-Jahresstipendium für Paris, 2005/06 ein Wohn- und Arbeitsstipendium der Künstlerstätte Stuhr- Heiligenrode, 2006 den Willi-Oltmanns-Preis für Malerei, 2009 ein Namibia-Stipendium vom Land Berlin und 2010 ein Stipendium des Kunstfonds Formine, Italien, sowie ein Stipendium der Stadt Gera. Arbeiten von ihr sind in zahlreichen Ausstellungen im Inund Ausland zu sehen und befi nden sich auch in der Städtischen Galerie Bremen, der Städtischen Galerie Delmenhorst, dem Museum Hurrle Durbach, der Sammlung Dodenhof/Große Kunstschau Worpswede und der Stiftung Burg Kniphausen.