Stefan Bräuniger
Blust, 2010, Öl auf Leinwand, 110 x 110 cm
Brombeeren IV+V, 2009, Öl auf Dibond, 40 x 40 cm
Brombeeren VII, 2011, Öl auf Leinwand, 75 x 75 cm
Wicken, 2010, Öl auf Leinwand, 90 x 130 cm
Stefan Bräuniger
Blumen stehen für Schönheit, sie erfreuen mit ihrer Farben- und Formenpracht, verführen mit ihrem Duft. Sie dienen als Schmuck zu allerlei Festen, werden der Liebsten zum Geschenk gemacht, mit ihnen wird das Erwachen der Natur im Frühling assoziiert. Sie sprechen den Menschen also emotional und direkt an. Die Blumen und Früchte in den Bildern von Stefan Bräuniger begegnen dem Betrachter in extremer Nahsicht, der Künstler holt die Natur mit ihrer die ganzen Vielfalt und Anmut für den Betrachter ganz dicht heran. Auf diese Weise wirkt sie ins Riesenhafte monumentalisiert. Damit entsteht eine besondere Art der Nähe zum Sujet. Stefan Bräuniger ist in seiner Malerei um täuschend echte Wiedergabe seines Motivs bemüht. So sind seine Gemälde auf der Basis von Fotografien entstanden, also auf der Grundlage von naturgetreuen Abbildern. Diese Vorbilder offenbaren sich in der fehlenden Tiefenschärfe. Der Fokus liegt auf einer Bildebene, alles außerhalb ist unscharf. Das bedeutet aber noch nicht, dass die Bilder auch dem entsprechen, was in der Natur vorzufi nden ist. Denn zuweilen montiert der Künstler seine Fotos, so dass etwas in ihnen auftaucht, was dem Botaniker befremdlich ist. Aus seinen Fotos hat der Künstler einen Ausschnitt gewählt, die Pflanzenteile scheinen wie durch ein Vergrößerungsglas vor neutralem Hintergrund vorgeführt. In der Beschneidung durch den Bildrand liegt die Spannung: Der Betrachter ist angehalten, das, was außerhalb des Bildes liegt, in seiner Imagination zu vervollständigen. Dem Blick ist Zeit gegeben, im genauen Studium kleinster Elemente in diesen Vergrößerungen Details wahrzunehmen, die bei der gewöhnlichen Naturansicht wohlmöglich verborgen blieben oder in der Unscheinbarkeit untergingen. Doch scheint es in der unberührten Natur nicht solch eine ausgewogene Harmonie von Farben und Formen zu geben, in der Komposition offenbart sich der Eingriff des Künstlers. Eben nur auf den ersten Blick sind es genaue Abbildungen der Natur. Seltsamerweise entsteht durch die Perfektion und die dadurch erreichte ästhetische Schönheit der Darstellung Künstlichkeit – das Motiv scheint gewissermaßen übernatürlich. Die Sujets wirken gleichzeitig vertraut und verfremdet. Wie die Nahsicht das Sujet zunächst heranholte, so entfernt es sich durch seine artifi zielle Schönheit und das Arrangement des Künstlers von der Realität des Betrachters. Ins Bild gebannt scheint jener ästhetische Überschuss des Sujets, der eine Distanzierung zu der nüchternen Vorlage herstellt.
Die Tradition der Stillleben schwingt in diesen Bildern mit, leichtes Welken zeigt den Vanitas-Gedanken, erinnert daran, dass alles auf der Welt vergänglich ist. Und doch sind die Blumen in den Bildern von Stefan Bräuniger auf ewig in ihrer artifi ziellen Schönheit erstarrt. Anders als die reale Natur werden diese Motive nicht vergehen und der Betrachter kann sich für alle Zeit an ihrer unsterblichen Anmut erfreuen. Dabei bietet das Foto dem Künstler gerade die adäquate Vorlage. Denn dieses konserviert einen Zustand über den ganzen Zeitraum, den es braucht, ein Bild zu schaffen. Über das Medium des Bildes ist man nun in die Lage versetzt, einen anderen Zugang zur Wirklichkeit zu fi nden, welche im Moment der Anschauung schon den Gang alles Irdischen gegangen und zerfallen ist. Die Motive der Bilder wirken dagegen geradezu lebendig, obwohl sie nur schöner Schein sind, nichts als gemalte Augentäuschungen. In der heutigen Zeit, in der man schnell ein digitales Foto macht, um eine schöne Blüte festzuhalten, weiß man das malerische Können dieses Malers gar nicht recht zu schätzen. Die Blütenköpfe sind so realistisch, dass man meint, nur ihr charakteristischer Duft fehle, um sie zum Leben zu erwecken. Die prallen, reifen, mattglänzenden Brombeeren warten darauf, gepflückt zu werden und ihr süßes Aroma freizugeben. In einem dieser Brombeer-Bilder überrascht zudem eine rosafarbene Blüte, die in der Natur sicher nicht an einem Brombeerstrauch zu fi nden ist. Vermeintlicher Fotorealismus paart sich aufs Vortreffl ichste mit künstlerischer Freiheit. Die Stoffl ichkeit jedes Objektes ist jedoch genau getroffen; der Duktus tritt zurück, ohne jegliche Spur eines Pinselstrichs beruht die Wirkung dieser Malerei auf der Wahl der Perspektive, des Ausschnitts, der Farben, der Komposition. Diese Motive bieten dem Künstler den Anlass, die Virtuosität seiner Malerei und seine leidenschaftliche Faszination am künstlerischen Schaffen fernab narrativer Inhaltlichkeit zu präsentieren.
Der Künstler legt keine symbolische Bedeutung in seine Sujets. Sie sind, was man mit unbefangenem Blick erfassen kann: Abbilder realer Versatzstücke der Natur, mitunter in neuer, verblüffender Kombination. In sorgfältiger Detailverliebtheit wird jeder Farbton gemäß seinem fotografi schen Vorbild gemischt und in tagelanger Arbeit auf die Leinwand gebracht. Die Bilder des Künstlers sind ein Geflecht aus Komplementärkontrasten und Farbharmonien, dynamisierenden Linien aus Blattstielen und plastischen Körpern aus Früchten, Tiefe erzeugenden, gestaffelten Ebenen und undefi nierten Hintergründen. Schönheit ist mit Zeitlosigkeit gepaart, Naturbetrachtung mit künstlerischer Umsetzung, Wirklichkeitsnähe mit malerischer Überhöhung. Im kleinsten Detail dieser ins Überdimensionale vergrößerten Naturausschnitte offenbart sich der ganze Kosmos dessen, was in der Unscheinbarkeit der realen Natur verborgen bleibt oder nie erlebt werden kann. In ihrer malerischen Qualität und Perfektion gehen diese Bilder gewissermaßen über die Natur hinaus.
Stefan Bräuniger wurde 1957 in Wuppertal geboren. Zwischen 1979 und1982 studierte er Grafi k-Design in Berlin. Von 1985 bis 1997 war er grafi sch und künstlerisch tätig, seit 1998 ist er freischaffender Künstler in Wuppertal. Stefan Bräuniger hat seine Arbeiten bereits bei vielen Ausstellungen und Messen präsentiert, u. a. auf der Großen Kunstausstellung NRW in Düsseldorf, in der Galerie Andreas Grimm in Palma de Mallorca, im Westfälischen Landesmuseum Münster, in der Sparkasse Wuppertal, auf der Art Frankfurt, der Art Cologne und der Art Karlsruhe.